RÜCKBLICK AUF DAS KUNSTPROJEKT „Z COMMON GROUND“

©Campos Viola Photography
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Im Sommer 2019 war die Zschokkestraße 36 für knapp drei Monate ein riesiges Werkatelier für über 100 Münchner Künstler*innen. Auf vier Geschossen schufen sie kollaborativ und disziplinübergreifend hunderte Kunstwerke – angefangen bei den Fassaden des Gebäudes. Besucher*innen konnten dieses Gesamtkunstwerk anschließend sechs Wochen lang bewundern – bei kostenfreiem Eintritt für alle. Bald entsteht im ehemaligen Industriekomplex ein Neubau mit attraktivem Wohnraum und Eigentumswohnungen.
 

Wenn es in München so etwas wie eine Mangelware gibt, dann ist das wohl die „Ware Raum”. Raum für Wohnungen, Raum für Gewerbe und nicht zuletzt Raum für Kunst und Kultur. 

Münchner*innen wollen wohnen, wollen in erreichbarer Nähe einkaufen und eventuell auch arbeiten, aber sie brauchen auch Freiräume für Kunst und Kultur – in Laim ist dieser Freiraum besonders rar. Zwischennutzungen, bei denen Immobilien vor größeren Renovierungen oder Neubauten auf den nächsten Schritt warten, bieten die Möglichkeit, Flächen einer temporären Nutzung durch Kulturtreibende zu öffnen.

Das Konzept hat sich in München beispielsweise in einem ehemaligen Hertie-Kaufhaus in Giesing (Projekt “Puerto Giesing”) oder in einer historischen Filiale der HypoVereinsbank in der Altstadt (Projekt “The Lovelace Hotel”) bewährt. Diese Projekte strahlen meist weit über das Stadtviertel hinaus. Für Künstler*inne ist die oft günstige Zwischenmiete ein Anreiz, das Abenteuer Zwischennutzung auf sich zu nehmen. Rummel statt Stillstand also: Die vergleichsweise kurze Dauer von solchen Nutzungen setzt Dynamiken in Gang, die an institutionellen Orten gar nicht entstehen können. Gleichzeitig fordern sie den Betreiber*innen vollstes Engagement, Durchhaltevermögen und einiges an Improvisation ab.

In den letzten Jahren sind neben der Stadt München vor allem auch private Bauträger Möglichmacher solcher Kreativspots. Familie Ballauf, seit Generationen Eigentümerin des Grundstücks an der Zschokkestraße, hat sich entschieden, den Moment der Transformation vom Gewerbehof zum Wohnquartier für ein außergewöhnliches Projekt zu nutzen. 

Vor wenigen Jahren noch waren raumfüllende Installationen, bunte Gemälde an den Wänden und Murals an den Fassaden hier wohl schwer denkbar. Büroflächen, ein Fitnessstudio und eine Druckerei dominierten den Alltag des Areals. Tanz und Theater – so hoch es im Büro manchmal hergehen mag – waren ganz woanders in der Stadt zuhause. Für die Dauer des Projekts “Z Common Ground” wurden die müden Wände dieses alten Industriegebäudes in ihren letzten Zügen aber nochmal ordentlich mit Leben und Kunst quer durch alle Disziplinen gefüllt. Das Schöne daran: die ganze Stadt und insbesondere die Nachbarn waren bei kostenfreiem Eintritt herzlich eingeladen. 

An dieser Stelle muss man wohl betonen, dass der Respekt vor den je eigenen Kompetenzgrenzen das Joint Venture zwischen dem Team des hierfür gegründeten „Vereins für Urbane Kunst e.V.“ und der GEHO-West gelingen lies. 

Als Möglichmacher des „Z Common Ground“ – so der Name des Kunstprojekts – war für uns als GEHO-West klar, dass wir uns inhaltlich aus dem Experiment „Kunst-Intervention in einer Gewerbeimmobilie“ rauszuhalten haben. Ein Vertrauen, das nie enttäuscht wurde und gleichzeitig dem autarken Anspruch der Kunstsphäre gerecht wurde. Unter dem Motto „Zerneuern“ bot das Gebäude als Material und Experimentierfeld zugleich allen Akteur*innen die Möglichkeit und Freiheit, den vorhandenen (Frei-) Raum neu zu denken, zu nutzen und zu gestalten. 

Ab Ende Februar 2019 arbeiteten die vom Kuratoren-Team um Loomit und Daniel Man ausgewählten Künstler*innen und Kulturschaffenden knapp zwei Monate lang auf dem Gelände. Pünktlich zur Eröffnung und Vernissage am 30. April 2019 standen die Münchner*innen dann bis um den Block Schlange! In Scharen kamen sie, um die Einweihung der sechswöchigen Ausstellungsdauer mitzuerleben, so dass zwischenzeitlich sogar ein Einlassstopp in die oberen Etagen verhängt werden musste. 

Wobei sich das Gebäude in viel mehr verwandelte als “nur” eine verwinkelte, vielteilige Galerie: der gesamte Komplex und der Innenhof konnten als Spielort, Festival und kollektives Kunstwerk auf rund 4.000 Quadratmetern erlebt werden. Wände wurden zu Leinwänden, Büroräume zu Bühnen, Industrieanlagen zu Werkzeugen und der Keller zu einem subterranen Skatepark. Auch einen gemütlichen kleinen Biergarten gab es im Innenhof. 

Im Haus wirkten insgesamt mehr als 100 Künstler*innen an ihren Arbeiten. Darunter viele Laimer*innen. Als “common ground” im wahrsten Sinne des Wortes bot der Ort eine gemeinsame Basis für Künstler*innen verschiedener Sparten, für Initiativen, Vereine und soziale Einrichtungen aus der Umgebung und dem Stadtgebiet, für Münchner*innen und „Zuagroaste“ sowie für internationale Gäste. Auch die Münchner Kammerspiele und das Münchner Volkstheater wagten Produktionen auf dem unbekannten Terrain. Erstere inszenierten Goethes “Werther” in einer modernen Version, das Volkstheater hielt einen Teil seines jährlich stattfindenden “Radikal Jung”-Festivals hier ab. 

Erwähnt werden sollte auch, dass das Projekt vom Bezirksausschuss großzügig gefördert wurde. Als Bereitsteller der Gewerbeimmobilie haben wir auf einen Mietzins verzichtet und die Nebenkosten gesponsert. So entstand für die Kuratoren eine Arbeitsbasis, die es erst möglich machte, sich sehr auf das Inhaltliche zu fokussieren. 

Weit über München hinaus hat auch die Presse das Projekt begeistert aufgenommen. Beeindruckt zeigten sich sogar Journalist*innen aus London, die im Rahmen einer Pressereise in München waren. Mit staunenden Gesichtern standen sie in den Fluren des alten Gewerbehofes, berichtete unser Pressesprecher.

Anfang Juni hieß es dann nach einem großen Abschiedsfest unvermeidlich „Adieu, Z Common Ground”. Warum aufhören, wenn es gerade so schön ist, könnte man da fragen. Vielleicht lag aber gerade in der Kürze ein Teil der Würze des Experiments. Würden die Mauern des Gewerbehofs nicht bald zugunsten des Baus von Wohneinheiten eingerissen, so hätte es den Anlass für die temporäre Kunst-Spielwiese gar nicht erst gegeben. Mit lachenden und weinenden Augen blicken wir also zurück. 

Was wir nämlich auch alle wissen: München braucht dringend mehr Wohnraum. Nach Berechnungen der Stadt müssten jedes Jahr 8.500 neue Wohnungen bezugsfertig werden, um den Bedarf zu decken. Leider wird dieser Bedarf derzeit nicht gedeckt. Wir werden also – wenn alles gut geht – im Jahr 2022 einen kleinen Beitrag leisten.

Die Durchmischung der Kunstdisziplinen und Besuchergruppen, wie wir sie im „Z Common Ground” erlebt haben, entspricht im Wesen unserer Leitidee von Gemeinschaft einer „Laimer Mischung“. Wir möchten Wohnungen schaffen, die den Menschen nicht nur als Mieter oder Käufer sehen, sondern seine Bedürfnisse darüber hinaus in den Blick nehmen: Seine Bedürfnisse nach Gemeinschaft, Selbstverwirklichung, Bewegung, gemütlichem Zusammensein – einfach guter Nachbarschaft eben.

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