„MUT ZUR ANDERSARTIGKEIT“

Der Architekt Florian Zielinski, su und z Architekten, erklärt uns in der Porträt-Reihe „Menschen hinter dem Projekt“, wie Architektur gemeinschaftliches Miteinander unterstützt, was Nachhaltigkeit mit dem Zyklus eines Gebäudes zu tun hat und er verrät uns seinen persönlichen Aha-Moment während der Konzeption der Architektur des laimlight.

Eine Kernidee des laimlight ist der Community-Gedanke, das Ziel, Begegnungsstätten zu schaffen und auch Alt und Jung miteinander zu vernetzen. Vor welche Herausforderungen stellt Sie das als Architekt?

Florian Zielinski: „Ich würde hier nicht den Begriff „Herausforderung“ verwenden, sondern von einer großen Chance sprechen. Das übergeordnete Ziel, das wir beim laimlight verfolgen, ist es, Wohnraum zu schaffen. Und guter Wohnraum besteht, unserer Meinung nach, aus Rückzugsräumen für den Einzelnen sowie Gemeinschaftsflächen für alle. Der Gemeinschaftsgedanke beim laimlight umfasst, dass sich eine größere Gemeinschaft Flächen beziehungsweise Dinge teilt. Was bedeutet, dass sich die Menschen in Summe gemeinsam mehr leisten können. In einem Projekt viele Orte der Begegnung zu realisieren, birgt, wie eingangs erwähnt, große Chancen: Ebenerdig entlang der Zschokkestraße, dort, wo sich Wohnnutzung weniger eignet, entstehen Gemeinschaftsräume wie beispielsweise Bewohnertreff, Café und Werkstatt. Für diese Nutzungen ist die Lage im Erdgeschoss – die Schnittstelle zur Öffentlichkeit – perfekt. Sie bilden Anknüpfungspunkte im öffentlichen Raum für Bewohner*innen sowie die umliegende Nachbarschaft. Viele Sonderflächen haben wir für die Gemeinschaft vorgesehen. Auf den Dachflächen sind gemeinschaftlich nutzbare Dachterrassen angeordnet. Zudem gibt es Gemeinschaftsräume für Co-Working oder auch gemeinsame Kochabende, eine Bibliothek, einen Leseraum sowie ein Musikzimmer oder eine gemeinschaftlich nutzbare Mitmach-Werkstatt.“

Die Idee einer Gemeinschaft ist gerade im städtischen Raum eigentlich sehr naheliegend. Denn hier leben viele unterschiedliche Menschen auf engem Raum zusammen, teilen dasselbe Quartier, dasselbe Gebäude. Warum entsteht da Gemeinschaft nicht “von selbst”? Warum braucht es dazu ein architektonisches Konzept wie beim laimlight?

Florian Zielinski: „Das ist eine gute Frage. Ich denke, Gemeinschaft braucht Räume, Räume sich zu entwickeln und zu entfalten. Wohnraum wird immer knapper, die Wohnungen infolgedessen immer kleiner. Die Effizienz eines jeden Bauvorhabens steht für Projektentwickler an oberster Stelle. Die Eingangsbereiche und Treppenhäuser werden dementsprechend immer kleiner. Wo trifft sich Nachbarschaft da noch? Es braucht Orte der Begegnung, Bereiche, zwischen Grundstückseingang und Wohnungstür, die zu informellen Treffen einladen. Wir verstehen Gebäude als vertikale Stadt, so auch das Wohnquartier laimlight. Wir haben ein Raumkontinuum geschaffen. Die Räume fließen, es gibt keine Grenzen oder Sackgassen. Eine spannende räumliche Situation folgt auf die nächste: Eingangsbereich, Laubengang, Hof, Dach. Und all diese Räume lassen sich von der Gemeinschaft beziehungsweise Nachbarschaft aneignen und bespielen.“

Der Architekt Thomas Rau sagte kürzlich, die zentrale Frage der Architektur sei nicht, “Steine stapeln, sondern das Menschenbild, das ihr zugrunde liegt.” Stimmen Sie dem zu? Und wenn ja: Welches Menschenbild liegt dem laimlight zugrunde?

Florian Zielinski: „Ich stimme Thomas Rau zu. Wir Architekt*innen bauen Lebensräume für Menschen. Unsere Arbeit kreist um das Individuum Mensch. Und Wohnraum ist der wohl wichtigste Baustein an Lebensraum für den Menschen.
Allerdings denke ich nicht in Schubladen. Heißt, es gibt in meiner Welt nicht ein Menschenbild, sondern eine Vielzahl von Bildern. Und dementsprechend haben wir auch entworfen. Dem Objekt laimlight liegt kein Menschenbild zugrunde, sondern der Kontext. Der Ort, an dem das laimlight entsteht, ist geschichtsträchtig. Das Grundstück ist seit vielen Generationen im Familienbesitz und hat sich von der Ackerfläche zum Gewerbehof-Areal entwickelt und wird jetzt eine Wohnnutzung erfahren. Es hat sich im Laufe der Zeit parallel zur Gesellschaft entwickelt und gewandelt. Wir haben versucht, diese Vielschichtigkeit des Ortes, Einflüsse aus der Vergangenheit, in abwechslungsreiche Architektur zu übertragen beziehungsweise zu übersetzen.“

Sie sprachen neulich an anderer Stelle von einem “gegenwärtigen Einheitsstil” in der Architektur. Woran liegt das Ihrer Auffassung nach? Und wie ist Ihnen beim laimlight der Ausbruch aus diesem gelungen?

Florian Zielinski: „Vieles, was in den letzten Jahren, Jahrzehnten entstanden ist, sieht gleich aus, das stimmt. Den Grund hierfür sehe ich in den vielen Auflagen, Normen und Regeln. Das Korsett im Wohnungsbau ist eng. Die Richtlinien sind gut gemeint, aber erdrücken Bauherren, Planer und ihre Bauvorhaben förmlich. Das Experiment „innovativen Wohnraum schaffen“ wird damit fast unmöglich, umzusetzen. Um auszubrechen, bedarf es Mut, Mut zur Andersartigkeit. Und großer Bemühungen aller Akteure sowie einen engen Dialog zwischen Architekten und Bauherr. Der Bauherr vom laimlight hatte von Anfang an klare Vorstellungen und sich vorab über fast zehn Jahre viele Gedanken gemacht. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht und stand immer die Gemeinschaft. Unsere Aufgabe war es, diese Vision des Bauherren in Raum zu übersetzen und damit andersartige Architektur zu schaffen.“

Jedes Bauvorhaben ist einzigartig und hat seine eigenen Herausforderungen. Trotzdem gibt es ja immer auch Vorbilder und Inspirationen. Gibt es ein Bauprojekt, von dem Sie bei Ihrer Arbeit am laimlight besonders profitiert haben? Und was nehmen Sie aus Ihren Erfahrungen hier für zukünftige Projekte mit?

Florian Zielinski: „Vor zwei Jahren haben wir bürointern eine Wien-Exkursion unternommen. Wir haben uns verschiedene Wohnungsbauprojekte wie beispielsweise den Karl-Marx-Hof angesehen. Der Schwerpunkt lag hier auf Genossenschaftsprojekten. Mein persönlicher Wien-AHA-Moment: Gemeinschaft hat Wumms! Es lässt sich so viel mehr erreichen und verwirklichen mit der Gemeinschaft im Rücken. Und das Projekt laimlight hat mir gezeigt, dass Dichte nicht eine Frage der Masse, sondern der Organisation ist. Es geht vor allem in Zeiten von Wohnraumknappheit darum, Dichte so zu organisieren, dass qualitativ hochwertige Räume entstehen.“

Ein weiterer zentraler Anspruch beim laimlight ist das Thema Nachhaltigkeit. Das erfordert neben der Verwendung langlebiger Materialien auch eine zeitlose Architektur. Wie kann es gelingen, heute ein Wohnquartier zu entwerfen, das auch in 50 Jahren noch zeitgemäß ist?

Florian Zielinski: „Ich denke, man muss die Herausforderungen von morgen heute sehen und im Jetzt handeln. Man weiß um so viele Probleme, doch es ändert sich wenig. Jeder geht den einfachen, herkömmlichen Weg, dabei müssen wir andere Pfade einschlagen und beispielhaft vorangehen. Beim Objekt laimlight stand der Lebenszyklus des Gebäudes stets im Zentrum: Langlebige Fassaden, recycelbare Materialien, zukunftsweisendes Mobilitätskonzept und flexible Flächen beziehungsweise Angebote, die sich den veränderten Bedürfnissen der Bewohner*innen entsprechend anpassen lassen, sind das Ergebnis.“

Sehen Sie im laimlight generell einen Vorbildcharakter – speziell für München und allgemein für das Wohnen im urbanen Raum?

Florian Zielinski: „Absolut. Das laimlight zeigt auf, dass sich der Mut anders zu denken auszahlt. Wohnraum darf nicht nur anhand von Flächen und Zahlen bewertet werden. Er muss Mehrwert schaffen, Qualität haben und vor allem nachhaltig sein. Er muss ein Raum sein, in dem Menschen gerne leben.“

Wir danken für das Gespräch.

Newsletter

Melden Sie sich an, um unsere neuesten Updates in Ihrem Posteingang zu erhalten!