„DAS GANZE QUARTIER ALS SPIELPLATZ VIELFÄLTIGER MÖGLICHKEITEN BEGREIFEN“

Die Grünflächenplanerin und Landschaftsarchitektin des Wohnbauvorhabens laimlight, Elke Berger, nimmt Sie in unserer Interviewreihe “Menschen hinter dem Projekt” mit ins Grüne. Die Expertin für Freiraum erklärt, wie es möglich ist, dass auf dem Gelände des Quartiers trotz Tiefgarage große Bäume wachsen können und wie die Zukunft der städtischen Innenhöfe aussehen wird.

Bei dem Stichwort “Wohnbauvorhaben” denken viele vermutlich zunächst an die entstehenden Gebäude selbst, die Architektur, den Wohnraum, der geschaffen wird. Warum ist die Gestaltung der Umgebung genauso wichtig?

Elke Berger: „Bevor man das Gebäude betritt quert man seine Umgebung. Ihre Atmosphäre und Qualität ist die Visitenkarte des Hauses und prägt seine Wahrnehmung. Aus dem Gebäude heraus betrachtet, ist die Umgebung ein nicht unerheblicher Faktor für die Bewertung der Raumqualität im Inneren – ob man auf eine Asphaltfläche blickt oder ins Grüne, beeinflusst zweifellos das Wohlbefinden.“

Eine zeitgemäße Quartiers- und Stadtentwicklung ist immer öfter auch mit dem Wunsch nach “mehr Grün” verknüpft. Welche Bedeutung haben Grünflächen im städtischen Raum heute und in Zukunft? Und welchen Einfluss hat das auf unser urbanes Lebensgefühl?

Elke Berger: „Spätestens seit dem Volksbegehren Artenvielfalt besteht ein gewisser Konsens darüber, dass die Bedeutung von Grün in der Stadt mit fortschreitender Verdichtung und sich zuspitzendem Klimawandel nicht hoch genug bewertet werden kann. Zum einen wissen wir, dass die Artenvielfalt in den Grünflächen der Städte höher ist als im landwirtschaftlich geprägten Umland, wir wissen auch dass Vegetation der Aufheizung der Städte entgegenwirkt und dass es erstrebenswert ist, den Stadtbewohner*innen so viel attraktiven Grünraum im unmittelbaren Umfeld zu bieten, dass das Auto öfter in der Garage stehen bleiben kann. Die Stadt München arbeitet seit Jahrzehnten an einem raffinierten und differenzierten Grünsystem für die gesamte Stadt und fordert seit vielen Jahren, dass Flachdächer aus klimatischen Gründen extensiv begrünt werden müssen. In der Zukunft muss man hier sicher den nächsten Schritt gehen und die Dächer als Ausgleich für den dicht bebauten Stadtboden wahrnehmen.
Die Bauherren haben sich von Anfang an der Aufgabe verpflichtet, qualitätsvolle Freiräume zu schaffen, die soziale und ökologische Anforderungen eng miteinander verknüpfen und das Gesicht des Quartiers wesentlich mitprägen. Dabei spielt sicher auch die Rückbesinnung auf die ursprünglich landwirtschaftliche Nutzung des Areals in München-Laim eine Rolle. Über einen mehrjährigen Prozess wurden von den Bauherren Vorstellungen über die Atmosphäre des Quartiers und das Zusammenleben der zukünftigen Bewohner*innen geschärft, bis daraus konkrete Ideen wurden, die wir in einem gemeinsamen kreativen Schaffensprozess zu einem sehr grünen Projekt mit großer innerer Oberfläche weiterentwickeln konnten. Hier werden aktuellste Erkenntnisse zum Thema Nachhaltigkeit umgesetzt – Bäume, die in Tiefgaragenaussparungen tief wurzeln und alt werden können, Regenwasser, das aufgefangen und den Pflanzen verfügbar gemacht wird – und vor allem viel Grün auf allen Ebenen.
Auf den Dächern des laimlight kann gemeinsames Gärtnern und geselliges Beisammensein ebenso stattfinden wie der Rückzug in einen ökologisch wertvollen, strukturreichen Sonnengarten mit Fernblick.
Auf dem Boden flaniert man auf verschlungenen Pfaden durch üppige Pflanzungen aus Bäumen und Blütenpflanzen, durch kleine und größere Lichtungen in denen Kinder spielen oder Hausbewohner zusammentreffen können. Ein grüner Mikrokosmos mitten im Quartier, der positiv auf das Stadtklima wirkt und den Bewohner*innen vielfältige Möglichkeiten bietet, sich vor der eigenen Haustüre im Freien aufzuhalten.“

Gleichzeitig ist der Platz für Grünflächen in einem urbanen Umfeld oftmals begrenzt. Was müssen Sie als Landschaftsarchitektin bei der Planung von Grünflächen in einer städtischen Umgebung beachten? Welche Formen der Bepflanzung sind überhaupt möglich?

Elke Berger: „Je dichter die Bebauung ist, desto schwieriger wird die Pflanzenauswahl, weil Licht und Schattenwechsel härter und absoluter sind als in der freien Landschaft und oft gepaart mit unkalkulierbaren Luftströmungen in engen Hof- und Straßenräumen. Dafür hält die Natur nicht sehr viele geeignete Pflanzen bereit, man muss also durchaus experimentieren.
Ein anderes gravierendes Problem ist, dass ein beträchtlicher Teil der Flächen, die wir als Landschaftsarchitekten in der Stadt begrünen, unterbaut ist. Die Lebensdauer einer Tiefgaragenabdichtung beträgt 30 bis maximal 50 Jahre. Dann müssen die Bäume, die gerade erst begonnen haben, eine nennenswerte Krone auszubilden, gerodet werden, um die Tiefgarage sanieren zu können. Immer mehr Städte beginnen, Aussparungen in den Tiefgaragen zu fordern, in denen Bäume alt werden können. Ich freue mich sehr, dass wir im Projekt laimlight eine großzügige Aussparung für den künftigen Jahrhundertbaum haben.“

Wie fördern Grün- und Freiflächen die Vernetzung und Kommunikation der Menschen im Quartier untereinander?

Elke Berger: „Idealerweise finden Menschen eine Tätigkeit, die sie im Freien ausüben und über die sie mit anderen in Kontakt treten können – das kann der Hund sein, den man ausführt, die Kinder, neben denen man am Spielplatz sitzt oder der quartierseigene Gemüsegarten, in dem man sich zum Säen und Ernten trifft.
Meist sind Kinder die Motoren des Austauschs und der Vernetzung, auch deshalb ist es wichtig, ihnen Streifräume anzubieten, in denen sie unterschiedliche Spielmöglichkeiten finden und das ganze Quartier als Raum begreifen, in dem sie einen sicheren Platz haben.
Covid-19 lenkt den Fokus wieder mehr auf die Berufstätigen im Homeoffice – früher gab es Handwerksbetriebe in den Innenhöfen, zukünftig werden es vielleicht Open Air Co-Working Spaces sein.“

Welchen Satz möchten Sie sagen können, wenn das Projekt laimlight für Sie abgeschlossen ist?

Elke Berger: „Ist hier noch eine Wohnung frei?“

Wir danken für das Gespräch.

Fotocredit: studioB