„DAS LEBEN STEHT IM MITTELPUNKT“

Heimat im laimlight

Wer sind die treibenden Köpfe beim Bauvorhaben „laimlight“? Was ist ihre Vision, ihre Motivation und welchen Hintergrund haben sie? In einer Interview-Reihe stellen wir Menschen vor, ohne die das Projekt nicht das wäre, was es ist. Den Anfang machen wir mit Bauherr Markus Ballauf, dessen Familie in Laim tief verwurzelt ist und das Grundstück an der Zschokkestraße 36 bereits seit Generationen bewirtschaftet: Erst mit Ackerbau, dann mit Gewerbe, bevor nach einer Intervention für die Kunst nun das Grundstück vorrangig dem Wohnen gewidmet wird.

Herr Ballauf, beginnen wir mit wenigen Worten: Können Sie Ihre Vision vom laimlight in einem Satz zusammenfassen? 

Markus Ballauf: „Auf dem Areal entsteht ein modernes und zukunftsweisendes Wohnquartier, das die digitale und analoge Lebenswelt zusammenführt und den Menschen in allen Lebensbereichen mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt.“

Das klingt vielversprechend. Wie profitieren die künftigen Bewohner*innen von dem Konzept?

„Das laimlight soll helfen, Zeitdieben ihre Beute zu entreißen. Wohnen soll zur Lebensqualität beitragen und nicht durch zeitfressende Aufgaben belastet werden. Wenn es uns gelingt, unnötige Wege für Besorgungen, Freizeit und Arbeit einzusparen, schöpfen wir Zeit für Dinge, die uns wichtig sind: Familie, Erholung, Hobbys – das, was man heute gerne Quality Time nennt. Gerade durch die begrenzte Ressource Zeit wird es immer wichtiger, alle Lebensbereiche besser aufeinander abzustimmen und damit mehr Qualität in seiner individuellen Zeitgestaltung zu erreichen.

Und man spart übrigens nicht nur Zeit, sondern auch Geld, indem unter den Bewohner*innen Dinge geteilt und damit Anschaffungen vermieden werden. Brauche ich ein eigenes Zimmer, um meinem Hobby nachzugehen oder kann ich das auch in einer gemeinschaftlichen Werkstatt machen? Brauche ich ein Auto oder reicht mir ein Fahrrad und ab und zu Elektromobilität? Brauche ich eine eigene Bohrmaschine oder kann ich sie über den Gerätepark mit anderen teilen etc.?“

Ein konventionelles Wohnhaus würde deutlich weniger Aufwand bedeuten. Spüren Sie als Unternehmer eine besondere Verantwortung für München? Oder treibt Sie der Wunsch, die Zukunft des Wohnens neu zu denken und mitzugestalten? 

„Beides. Natürlich ist München meine Heimatstadt, der ich viel Lebensqualität zu verdanken habe. Eine Verantwortung für München sehe ich nicht, aber für die Menschen, die München prägen und die es verdienen, ihre Stadt als moderne und innovative Stadt mitzugestalten und sie in eine lebenswerte Zukunft zu führen. 

Letztlich ist die Zukunft des Wohnens immer eine vage Vision von dem, was kommen mag. Eine Vision der Wohnzukunft kann immer nur der Versuch sein, eine Plattform zu bieten, die von den künftigen Bewohnern*innen hinsichtlich der Chancen, die sie bietet, angepackt und mit Leben erfüllt wird. Nicht der Entwickler haucht dem Objekt Seele ein. Er erstellt nur die Hülle. Ob die Seele eine Heimat findet, obliegt den Nutzern.“

Sehen Sie in laimlight ein Modell für andere Stadtteile und Städte? 

„Generell haben viele Städte ähnliche Probleme und suchen Lösungen. Sicher kann ein Teil der Innovationen übernommen werden, jedoch werden diese ohne öffentliche Förderung oder Unterstützung nicht realisiert werden können. laimlight kann letztlich nur an Bedeutung gewinnen, wenn es in einem Verbund von Maßnahmen eingebettet wird, wie Infrastruktur (Fahrradwege, Ladeinfrastruktur, Versorgung, ÖPNV etc.) und Kultur. Die Stadtverwaltungen müssen die Kultur in die Stadtteile bringen und kulturelle Räume ermöglichen. 

Das kann die Privatwirtschaft nicht leisten. Stadtteilkultur ist identitätsstiftend und erhöht die Vielfalt und damit die Akzeptanz und Toleranz. Hier konnte durch das Kunstprojekt „Z Common Ground„, das auf unserem Areal im Mai 2019 stattfand, ein Nährboden bereitet werden, der sich hoffentlich weiterentwickelt.“

Ein zentrales Merkmal vom laimlight ist seine vielseitige Umgebung, die „Laimer Mischung“. Wie wichtig ist das Umfeld für das Gesamtprojekt? 

„Die „Laimer Mischung“ ist ein Glücksfall. Durch das vielfältige Angebot an Wohnmöglichkeiten in der direkten Nachbarschaft – von der geförderten Wohnung, zu Mietwohnungen bis hin zum Eigentum, können viele Nuancen angeboten werden und fördern damit eine Durchmischung der sozialen Ebenen. Meiner Ansicht nach ist die Mischung neben dem kulturellen Austausch ein wesentliches Element der Quartiersplanung. In Verbindung mit der „Mobilitätsvermeidung“ – so wenig Mobilität wie nötig und so viel Flexibilität wie möglich – ist die Vielfalt eine Voraussetzung für eine ideale und lebenswerte Stadt. 

„In Verbindung mit der Mobilitätsvermeidung ist die Vielfalt eine Voraussetzung für die ideale und lebenswerte Stadt.“

Allein der demographische Faktor wird uns in den nächsten Jahrzehnten dazu zwingen, moderne Quartiere mit höchster Flexibilität zu bauen, um der zunehmenden Vereinsamung und Desozialisierung entgegenzuwirken. Natürlich kann nicht jedes Vorhaben all dies ermöglichen und alle Komponenten abbilden, aber im Verbund mehrerer diverser Angebote innerhalb eines Stadtteils kann dies verwirklicht werden. Hier sind die Stadtplanung und Stadtentwicklung gefordert.

Das laimlight definiert sich auch über seine ideellen Werte. Ist dieses Fundament eine Dimension des Zusammenlebens, die wir zu lange vernachlässigt haben? 

„Absolut. Wir sehen heute eine zunehmende Vereinsamung. In den kommenden Jahrzehnten wird der Anteil der Single-Haushalte weiter dramatisch steigen – und das sind keine Studenten, sondern größtenteils Senioren. Zeitgleich werden die Senioren auch fitter und sind leistungsfähiger und erwarten auch Angebote für die aktive Teilnehmer am sozialen Leben. Hier müssen Brücken gebaut werden, um Jung und Alt, gebildete und zu fördernde Menschen, mobile und immobile Personen zusammenzubringen und Hemmschwellen abzubrechen. Freudiger und selbstsorgender Umgang ohne Zwang mit freiwilliger und gleichzeitig gegenseitiger Zusammenarbeit – quasi ein alters- und kulturübergreifender Interaktionsprozess. Das könnte zum Beispiel gefördert werden durch gemeinsames Feiern, Wissensaustausch, Hilfe und Sharing-Angebote etc.“

„Es ist das Lebensgefühl einer Mehrheit, die den Erfolg trägt, nicht die Vision eines Einzelnen.“

Natürlich kann ein Projekt wie das laimlight allein nicht alle Probleme auf dem Münchner Wohnungsmarkt lösen. Was wünschen Sie sich in dieser Hinsicht von der Stadt?

„Wir brauchen das Zusammenspiel aller Kräfte: Die Stadt sollte Möglichkeitsräume schaffen, neue Konzepte umsetzen zu können, während Innovatoren aus der Immobilienwirtschaft die kreativen Konzepte in die Realisierung bringen. Jedoch ist das alles nur sinnvoll, wenn die Stadtgesellschaft die Angebote mit Leben füllt und dadurch stärkt. Das bedeutet, Stadtentwicklung muss Heterogenität in den Stadtteilen ermöglichen, den Stadtteilen Identität geben, um damit Zugehörigkeit zu schaffen, diese wiederum ermöglicht Engagement und Selbstsorge. Es sollte Stadtteilkultur gefördert werden, außergewöhnliche Architektur anerkannt und unterstützt werden, Innovationen gefördert und Menschen motiviert werden, für ihr Viertel einzustehen. 

Wir müssen wegkommen von dem politischen Schwarz-weiß-Gerede von bösen Investoren und ausgebeuteten Bürgern hin zu Anerkennung und Würdigung der großen Idee bis zur kleinen Geste. Denn ohne Bauträger oder Entwickler keine Wohnungen – und ohne Mieter oder Eigentümer keine Bewohner. Ziel muss es sein, dass jeder seinen Beitrag leisten und seine Anerkennung formulieren kann und auch selber gelobt wird. Damit würde eher ein Konsens entstehen, anstelle von Rüge und Angst.

Wenn wir erreichen, dass alle Marktbeteiligten motiviert sind, so wird es erst gar nicht zu einer Diskreditierung einzelner Seiten kommen. Denn gerade hier haben die Städte und damit die Politik in den letzten Jahren sehr viel falsch gemacht und gerade zu der aktuellen Situation am Markt beigetragen. Das für mich einschneidendste Beispiel ist die Summe an Fläche, welche öffentliche oder privatisierte Träger (Deutsche Bahn, Telekom, Stadt München) in den letzten Jahrzehnten meistbietend verkauft haben. Stünden diese Flächen zur Verfügung oder unterlägen sie gezielten stadtplanerischen Quartiersauflagen, wäre die Misere um einiges entspannter.“ 

Könnten Sie sich vorstellen, selbst ins laimlight einzuziehen?

„Auf jeden Fall, nur würde ich, glaube ich, zum schärfsten Kritiker werden und nicht aufhören, alles ständig verbessern zu wollen. Oft ist der weisere Ratgeber, den Realitätscheck nicht selber zu machen, sondern lieber Dritte entscheiden zu lassen, ob ein Konzept lebenswert ist. Letztlich ist es das Lebensgefühl einer Mehrheit, die den Erfolg trägt, nicht die Vision eines Einzelnen.“

Vielen Dank für das Gespräch!

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